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Im August 1970 war Jochen Rindt auf dem Weg zum WM-Titel und auf die Frage, «gibt es jemanden, den du wirklich fürchtest?» hieß seine Antwort nicht «Stewart», nicht «Brabham», auch nicht «Ickx», sondern überraschend «Regazzoni»
Rindts Begründung: «Weil der so verrückt fährt, wie ich in meiner Anfangszeit...»

Zu diesem Zeitpunkt hatte der 1939 in Porza bei Lugano geborene Schweizer erst drei Formel 1 Grand Prix auf Ferrari hinter sich.

In diesem stillen Mann aus dem Tessin schienen viele Gegensätze zu schlummern. Er spielte Fußball beim Viertligaklub FC Noranco. Zu Hause spielte er am liebsten Karten. Beim Fußball agierte er eher zaghaft, weil er sich nicht verletzen wollte.

Im Rennwagen jedoch hatte er keine Hemmschwelle.
Als sich in Monaco sein Formel 3-Techno in die Leitschienen bohrte, wäre jeder andere wahrscheinlich geköpft worden. Clay jedoch zog seinen Kopf geistesgegenwärtig nach rechts ein und rutschte samt dem Rennwagen unter dem Schafott durch und blieb unverletzt.

Er war in mehr Unfälle verwickelt als jeder andere Rennfahrer, doch er schien unverwundbar wie Sigfried.

Er kam zurecht, als sich auf dem Straßenkurs von Caserta in Italien eine Massenkarambolage zusammenbraute, in der Geki Russo und der Schweizer Beat Fehr ums Leben kamen. In Zandvoort war Regazzoni mit dem Briten Chris Lambert beim Überrunden in einen Unfall verwickelt, der Lambert das Leben kostete.
Clay war eine Rennfahrer-Spätlese. Erst 1963, im Alter von 24 Jahren, kam er mit dem Autosport in Berührung, bei einem Rennfahrerkurs in Monthlery. Die Epoche der Kart-Kids war noch nicht angebrochen.

Seinen ersten Sieg feierte er 1967 auf der spanischen Jarama-Strecke in der Formel 3. Sehr bald zog er sich den Ruf eines Kamikaze-Piloten zu. Über die Formel 3 kam er in die Formel 2.
Für Ferrari war er wie geschaffen, Maranello war immer auf der Suche von Helden, die Tod und Teufel nicht fürchteten. Ende 1968 bot ihm Ferrari erstmals einen Formel 2-Vertrag an, doch Ferrari konnte Clay kein Siegerauto bieten, daher kehrte er wieder zu Techno zurück.
Als er am 21.Juni 1970 in Zandvoort auf einem Werks-Ferrari sein erstes Formel 1-Rennen bestritt, war er bereits knapp 30 Jahre alt. Dann gewann er in Monza den Italien-Grand Prix, jenes Rennen, bei dem Jochen Rindt im Training tödlich verunglückte.

1973 fuhr er für BRM, 1974 bildete er mit Niki Lauda das von Luca di Montezemolo neuformierte Ferrari-Team, er gewann auf dem Nürburgring und wurde hinter Fittipaldi WM-Zweiter - diese Saison war zweifellos seine beste.

1975 wurde sein Teamkollege Niki Lauda Weltmeister und Clay nur Fünfter. Niki nannte Clay «Jakob», er hebelte den Schweizer meist mit seiner glasklaren Logik aus, und mit dem besseren Durchblick beim Abstimmen der Autos.
Selbst mit einer größeren Risikobereitschaft waren gegen diesen Lauda, der keine Schwächen zeigte, nur Stehplätze drinnen.

1976 duellierten sich Lauda und Hunt um den Titel, der Brite gewann mit einem Punkt Vorsprung, Regazzoni wurde wieder nur Fünfter, aber er gewann in Long Beach.

Bei Enzo Ferrari fiel er wegen seines Lebenswandels in Ungnade.

Clay war ein Pfeifmichnichts, ihm fehlten die Sensoren für das, was bei Ferrari erlaubt war. Selbst seine große Popularität in Italien konnte ihm nicht bei Ferrari das Leben retten.

Daraufhin wechselte er 1977 zum britischen Ensign-Team. 1978 fuhr er für Shadow, aber die Karriere lief dort auf einer schiefen Ebene.
1979, er war bereits 40, ließ er bei Williams nochmals sein großes Können aufblitzen. Er war jetzt gereift, aber immer noch sehr schnell, für Williams war er ein Gewinn, wie er mit seinem Sieg im Britischen Grand Prix demonstrierte, der als allererster Sieg des Williams-Team in die Geschichte einging. Clay wurde Zweiter in Monaco und in Hockenheim, trotzdem ließ ihn Williams fallen, um sich Carlos Reutemann zu angeln.

1980 traf ihn das Unheil. Er kehrte zu Ensign zurück, und es passierte im vierten Rennen der Saison, beim US-West Grand Prix in Long Beach. Für Clay war es der 132.Grand Prix Start. Ensign hatte, um 20 Dekka Gewicht zu sparen, das Bremspedal aus Titan gefertigt, ohne aber die Bearbeitung dieses spröden Materials zu beherrschen. Als auf diesem Stadtkurs, der von Betonblöcken eingerahmt war, das Titan-Pedal brach, prallte der Ensign ungebremst in einen ausgefallenen Brabham um dann in der Auslaufzone an einem Beton- sockel zu zerschellen.

Clay war seit damals am Unterkörper gelähmt, er saß im Rollstuhl, aber zum Unterschied eines Frank Williams konnte er ein völlig selbständiges Leben führen und vor allem, er konnte immer noch Auto fahren, weil er sich Kupplung, Bremse und Gas in einer ausgeklügtelten Technik für Handbedienung rund um das Lenkrad anbringen ließ.

Clay Regazzoni war ein bunter Farbtupfen in der Grand Prix Szene, den alle sehr gern hatten.
In einem Verkehrsunfall zu sterben, ist für einen Grand Prix Piloten so, als wenn ein Extrem-Kletterer beim Sturz von einer Zimmer-Leiter ums Leben kommt.

Autor Helmut Zwickl ist neben seiner langjährigen Tätigkeit als einer der führenden deutschsprachigen Motorsportjournalisten auch Veranstalter der Ennstal-Classic, alle Infos dazu finden Sie unter www.ennstal-classic.at

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