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Helmut Zwickl Kolumne

Manipulationen an einem abgelutschten Bonbon

Was momentan in der Formel 1 abgeht, muss einen nachdenklich stimmen. Da gewinnt Alonso plötzlich zwei Rennen hintereinander – wie ist das möglich?

von Helmut Zwickl

Was momentan in der Formel 1 abgeht, muss einen nachdenklich stimmen. Da gewinnt Fernando Alonso plötzlich zwei Rennen hintereinander. Ok, in Singapur half ihm eine Safety-Car Phase, und in Fuji könnte man sagen, eliminierten sich Massa und Hamilton etwas hirnlos von den Podiumsplätzen, aber wie ist es möglich, dass in der «eingefrorenen» Formel 1 ein Auto wie Renault urplötzlich so schnell wurde, dass ein Alonso – über dessen Qualitäten wir nicht reden müssen – dank wirklich schneller Runden, auf Siegeskurs fährt?.
Logisch ist das nicht erklärbar.

Durfte Renault am Ende eingefrorene Motoren «auftauen», was andere, wie Ferrari, längst unter dem Mantel «Erhöhung der Standfestigkeit» getan hatten?

Bei Renault besteht nämlich die Gefahr, dass man sich aus der Formel 1 zurückzieht. Der oberste Renault-Boss Carlos Ghosn ist ein gefürchteter Sparmeister und kein Mann, der Erfolglosigkeit in der Formel 1 auf Dauer subventionieren würde – etwa wie Toyota es tut.
Dass an den wichtigsten Stellschrauben der Formel 1 herummanipuliert wird, dieser Verdacht ist seit Jahren kaum zu entkräften. Die Fehlentscheidungen der Sportkommissare im Laufe einer Saison sind himmelschreiend – denken wir an Spa. Die Rennen werden zur Farce, wenn ein Hamilton dafür bestraft wird, wenn er ein riskantes Bremsmanöver zur ersten Kurve losläßt, oder Bordais nach dem Rennen bestraft wird, was Massa einen Punkt bringt, seinen Rückstand auf Hamilton zwei Rennen vor Schluß auf 5 Punkte reduziert.

Klar: die WM muß bis zur Zielfahne in Brasilien offen bleiben, die TV-Quoten bedeuten Kohle, entsprechend die Versuchung, das Drehbuch bis zum letzten Rennen zu korrigieren. Die Sportkommissare die heute in der Formel 1 Entscheidungen treffen, kommen mir vor wie Eunuchen, die über Sex reden. Die entscheidende Frage ist: handeln sie aus Inkompetenz so, oder auf höhere Anweisung? Wenn Inkompetenz stimmt, dann wäre es Zeit, dass nur Ex-Rennfahrer solche Entscheidungen treffen. Wenn letzteres zutrifft, dann bringen auch Ex-Rennfahrer keine Wende.

Und überhaupt: die Formel 1 hat langsam, viel zu langsam natürlich, begriffen, dass man die Dramaturgie eines Renn-Wochenendes neu schreiben muß. Die Fadesse, die Freitag und Samstag über das Fernsehen verbreitet wird, ist unerträglich geworden. Die TV-Kommentatoren wissen nicht mehr, welchen Schmarren sie uns erzählen sollen, sie erzählen am Samstag was sie schon am Freitag erzählt haben, immer die gleichen «Thematisierungen», die gleichen Stehsätze, und die gleichen peinlichen Interviews vor dem Start und das Ganze ein Kalenderjahr hindurch.

Selbst die brillanten Bilder keines Nacht-Grand Prix können jenseits des Hamilton-Massa Duells nicht darüber hinwegtäuschen: die Formel 1 ist ein abgelutschtes Bonbon geworden. Und sie ist so wunderbar verlogen geworden: sie hängt sich ein grünes Mäntelchen um, färbt schon Reifen grün, will mit KERS einen Beitrag zum Enegiesparen liefern, was die involvierten Werks-Rennställe gebetsmühlenartig befürworten müssen, obwohl außenstehende Experten es völlig unrealistisch finden, dass hier Brückenschläge zur Serie stattfinden.
Und gleichzeitig wird im Nacht-Rennen von Singapur mehr Energie vernichtet, als die Formel 1 jemals einsparen würde, selbst wenn sie für Einzylinder-Dieselmotoren ausgeschrieben wird.

Autor Helmut Zwickl ist neben seiner langjährigen Tätigkeit als einer der führenden deutschsprachigen Motorsportjournalisten auch Veranstalter der Ennstal-Classic, alle Infos dazu finden Sie unter www.ennstal-classic.at

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