CLASSIC

  • Motorline auf Facebook
  • Motorline auf Twitter
Helmut Zwickl Kolumne

Ich frage mich: Ist das noch Rennfahren?

Der verstellbare Heckflügel und KERS werden vom Cockpit aus bedient, die Fahrer werden immer mehr zu Piloten. Helmut Zwickl ist skeptisch…

von Helmut Zwickl

Das reine Rennfahren ist out. Das Reglement das heuer in der Formel 1 in Kraft tritt, macht die Piloten erstmals zu wirklichen Piloten...

...denn sie bekommen einen künstlichen, elektronischen Selbstbedienungsladen aufgebürdet, der völlig neue Fähigkeiten verlangt: etwa die Simultankapazität eines Jumbo-Käptn. Niki Lauda hätte seine Freude an dem neuen Cockpit...

Die Piloten werden sich mit einem verstellbaren Heckflügel UND mit KERS auseinandersetzen müssen.

Für den auf Knopfdruck verstellbaren Heckflügel wird die FIA – und jetzt wird’s lachhaft - für jede Rennstrecke einen sogenannten «Einsatzpunkt» festlegen, ab dem der Flügel verstellt werden darf, um eine höhere Endgeschwindigkeit zu erzielen.

Damit sollen neue Überholmöglichkeiten erschlossen werden. Der verstellbare Frontflügel und der geniale F-Schacht, sowie der doppelte Diffuser sind übrigens verboten. Was jetzt zum Sondermüll gehört, hat Millionen gekostet.

Nachdem sich die Teams für 2010 geeinigt hatten, auf das sündteure KERS-System zu verzichten, ist KERS heuer ein Fixpunkt. Mit dem «Kinetic Energy Recovery System» kann die beim Bremsen entstehende Energie in Zusatz-Power umgewandelt werden, das pro Runde nach vorbestimmten Dosierungen vom Lenkrad per «boost button» abgerufen werden kann.

Es wird interessant zu sehen, wie die Piloten mit dem neuen Cockpit-Management fertig werden und den verstellbaren Heckflügel zusammen mit KERS für Überholmanöver einsetzen.

Lewis Hamilton hat sich am McLaren-Simulator in den neuen Elektronik-Shop vertieft: «Die Koordination von Flügelverstellung und KERS ist trickreich» hieß sein Resümee.

Die Techniker jubeln: man hat ihnen eine neue Spielkiste gegeben. Und man ist überzeugt, nach jahrelangem Suchen endlich den Stein der Weisen für Überholvorgänge gefunden zu haben.

Was da auf die Piloten zukommt, noch dazu mit den neuen Pirelli-Reifen, ist nicht abzusehen. Und wie sich das Ganze für den TV-Zuschauer darstellen lässt, wird sich auch erst zeigen.

Ex-Formel 1 Pilot und BBC-Kommentator Martin Brundle meint: «Man müsste ein rotes Licht vorne und am Heck haben, das uns und den Fahrern signalisiert, wenn einer den Flügel verstellt. Wenn Flügel und KERS zusammen aktiviert werden, sollte das rote Licht blinken.»

Ich frage mich schon: Ist das noch Rennfahren?

Autor Helmut Zwickl ist neben seiner langjährigen Tätigkeit als einer der führenden deutschsprachigen Motorsportjournalisten auch Veranstalter der Ennstal-Classic, alle Infos dazu finden Sie unter www.ennstal-classic.at

News aus anderen Motorline-Channels:

Helmut Zwickl Kolumne

Weitere Artikel:

Schiebung will geformt sein

Helden auf Rädern: Renault Estafette

Wenn sich ein Player nicht an die Spielregeln hält, muss man kreativ werden, um noch mitmischen zu können. Renaults Weg zum Estafette war etwas steinig und warf irgendwie alle Pläne über den Haufen, die man für die Marke hatte.

Gleich, aber nicht

Helden auf Rädern: VW Mitra

Dieser VW Transporter ist kein VW Transporter. Oder zumindest nur teilweise. Jedenfalls nicht so, wie man es anhand der Optik vermuten würde. Eine wirre Geschichte, die nicht lange gutgehen konnte.

Zweierlei Reibwerte

Helden auf Rädern: VW Öko-Polo

Viele technische Neuerungen sind älter als sie scheinen. Oft ist die Zeit aber einfach noch nicht reif dafür, weswegen ambitionierte Technik oftmals in der Schublade verschwindet. Der Öko-Polo zeigt aber, dass ein wenig Abwarten auch Vorteile haben kann.

Kleiner Bruder, das Luder

Helden auf Rädern: Renault 6

Plattformübergreifende Entwicklungen waren schon in Mode, bevor sie wirklich in Mode kamen. Im Falle des Renault 6, brachte das Gleichteileprinzip aber fast mehr Nach- als Vorteile mit sich.

Wenig Auto, viel Design für viel Geld – eine Idee, die hätte funktionieren können. Die Optik eines Bonsai-Mercedes war für den Gurgel XEF dann aber doch zu wenig.

Der Saft des frühen Blitzes

Helden auf Rädern: Opel Kadett Impuls

Viele Hersteller probierten schon vor einem halben Jahrhundert, normale Autos zu elektrifizieren. Opels Ansatz beim Kadett Impuls war dagegen schon einen Schritt weiter.