Helmut-Zwickl-Kolumne | 17.09.2007
Das Gesicht der Formel 1
Nehmen wir es vorweg: Die Formel 1 wird auch diesen Skandal überleben, und es ist anzunehmen, dass sie nicht nachnachhaltig beschädigt ist.
von Helmut Zwickl
Aber das Gesicht der Formel 1 hat sich geändert. Konkurrenzdenken und Feindseligkeiten hat es immer gegeben, die Geschichte der Formel 1 ist voller Skandale. Betrügereien hat es immer gegeben, sie wurden mehr oder weniger hart bestraft. Die Formel 1 war immer eine politische Formel, die Gerichtsbarkeit hinterließ immer wieder Zweifel an der Gerechtigkeit. Ferrari war immer ein politisches Schwergewicht.
Unter dem Druck des vielen Geldes, das am Spieltisch liegt baute sich aber ein derartiger Erfolgszwang auf, dass immer mehr «Tugenden» zum Tragen kommen, die der Formel 1 ein hässliches Gesicht geben: Geldgier und Hass.
Geldgier und Hass trieben Nigel Stepney dazu, Ferrari-Geheimnisse in einem 780 Seiten Dossier an McLaren auszuliefern.
McLaren schickte das Dossier nicht postwendend zurück, es war auch keine Rede davon, sofort eine Anzeige bei der FIA zu machen, sondern man studierte das Dossier zwei Monate lang in aller Ruhe: Ferrari, dieser verhasste Feind, wurde transparent.
Aber Konstruktionsdetails ließen sich nicht eins-zu-eins übernehmen, zu unterschiedlich waren die Silberpfeile von den heurigen Ferrari-Modellen. Aber für die Zukunft bliebt sicher einiges hängen, was Strategien und Konstruktions-Philosophien betrifft.
Auch die beiden spanischen Fahrer, Alonso und der Testpilot dela Rosa ließen sich von den McLaren-Ingenieure, die das Dossier hatten, in diese Bibel einweihen, um daraus einen Gewinn zu schlagen – Alonso erhoffte sich Vorteile gegenüber Hamilton zu sichern.
Fernando Alonso war bisher ein Symphatieträger, doch im Stallduell gegen Schokomilch-Bubi Lewis Hamilton musste er immer neue Pfeile aus seinem Köcher nehmen, die letzten sind offenbar vergiftet.
Mit Ayrton Senna hatte Ron Dennis heftige Duelle über das Salär, aber gemessen an heute, war das die gute, alte Formel 1.
Ron Dennis hat letztlich auch den Senna an Williams abgeben müssen, und auch an dem, was mit Alonso heuer passierte, ist der McLaren-Boss nicht unschuldig.
Er tendierte zu seinem Schützling Lewis Hamilton, und Alonso, diese Mimose mit Hang zur Gnadenlosigkeit (wie er in der ersten Kurve des Belgien-Grand Prix mit einem Gewaltmanöver gegen Hamilton bewies), sah seinen im Vertrag garantierten Nummer eins-Status nicht erfüllt. Hass staute sich auf, letztlich erpresste er Ron Dennis: entweder du spielst mich auf WM-Sieg, oder ich verrate der FIA den E-mail-Verkehr mit de la Rosa...
So wie Ron Dennis die Kontrolle über seine Ingenieure verloren hat, die mit dem Ferrari-Dossier herumspielten, hat er auch die Kontrolle über seine Piloten verloren.
In den Sportgesetzen der Formel 1 stehen genug Paragraphe, die noch dazu breiten Spielraum lassen, um einen solchen «Spionage-Skandal» abzuurteilen.
Das ist auch richtig so.
Klar ist aber auch, dass die Formel 1 ein einziger Spionage-Haufen ist.
Doch die Polizei schaut weg.
Autor Helmut Zwickl ist neben seiner langjährigen Tätigkeit als einer der führenden deutschsprachigen Motorsportjournalisten auch Veranstalter der Ennstal-Classic, alle Infos dazu finden Sie unter www.ennstal-classic.at