CLASSIC

  • Motorline auf Facebook
  • Motorline auf Twitter

Abrüstung in der Formel 1: Ziehen die Werke mit?

motorline.cc-Stargastautor Helmut Zwickl stellt in seiner neuen Kolumne die Frage: Abrüstung in der Formel 1 - ziehen die Werke mit? Und: Wie weit darf man den Rüstungsstopp treiben?

von Helmut Zwickl

Unter dem Motto «Kosteneinsparungen» soll das grenzenlose Wettrüsten der Formel 1 dramatisch eingebremst werden. Dass die Formel 1 nur noch eine riesige Geldver-nichtungsmaschinerie ist, darüber brauchen wir nicht diskutieren. Die Frage ist nur: wie weit darf man den Rüstungsstopp treiben?

Was nun an Verboten auf die Formel 1 niedergeht, ist so drastisch, dass sich Werke wie Honda und Toyota bereits fragen, ob sie noch länger mitmachen sollen.

Die Motoren, seit jeher das Herzstück der Formel 1, werden jetzt auf zehn Jahre eingefroren. Besser gesagt: mumifiziert. Die Motorenentwicklung sei ausgereizt, sagt die FIA, somit müsse man andere Ziele vorgeben.

Ein falsches Signal, denn würde man die Motorenformel nicht bloß nach Hubräumen definieren, sondern nach anderen Kriterien, hätte die Motorenentwicklung eine interessante Zukunft.

Statt auf Motoren, soll die Stoßrichtung künftig auf Energie Rückgewinnungs-Systeme gerichtet werden, KERS (Energy Recovery System) genannt.

Sicher ist: das wird auch sehr teuer und für die Serienentwicklung kein Schrittmacher.
Überhaupt wird der Rüstungsstopp zunächst nur teuer, denn die Werke können mehr als die halbe Belegschaft ihrer Rennabteilungen, die bisher für die Motorenentwicklung gearbeitet haben, abziehen, woanders platzieren, oder entlassen. Das gilt auch für die Hundertschaften in den Elektronik-Abteilungen.

Die Abrüstung am Aerodynamik-Sektor ist besonders dramatisch. Ab 2008 bleibt kein Stein über dem anderen. Die Teams dürfen nur noch einen Windkanal betreiben. Viele Teams haben viel Geld in einen zweiten Kanal investiert, sie trifft das Verbot besonders hart. Ferrari kann schadenfroh lachen, denn man hat nur einen Kanal...

Die Windgeschwindigkeit ist mit 50m/sec limitiert. Der Maßstab der Modelle ist auf 60%
limitiert. Das trifft BMW, denn man hat Sauber nur gekauft, weil es dort den besten Windkanal für 1:1 Modelle gibt. Sogar die Tagesarbeit wird limitiert: 15 Testläufe in maximal 8 Stunden, 5 Tage die Woche. Aerodynamik-Tests dürfen sich ausschließlich im Windkanal abspielen oder im vollen Maßstab auf bestimmten Teststrecken und dort auch nur 5 Tage pro Jahr.

Weil zu befürchten ist, dass damit die ganze Aero-Entwicklung auf CFD-Simulationen umgepolt wird, (die Werke haben sich dafür längst mit neuen Großrechnern eingedeckt...), soll auch die Computer-Arbeit limitiert werden. Unter anderen wird die Anzahl der Leute, die mit dieser Bildschirmarbeit befasst sind, genau vorgeschrieben.

Ferner wird es Restriktionen für Chassis-Prüfstände und Fahrsimulatoren geben, und im Design von Radaufhängungen, Bremsen, Hydraulik-Systeme, Karossen, Gewichtsverteilung wird den Konstrukteuren das Gehirn amputiert.

Nicht nur die Testtage werden reduziert, ja sogar die Zahl der Team-Mitglieder bei den Rennen wird gekürzt. Es wird zu einem großen Job-Abbau kommen.

Nächstes Jahr gibt es bereits die einheitliche Elektronik-Box (System McLaren), aus der die Traktionskontrolle und andere Steuerparameter entfernt wurden.

Zu hinterfragen ist, wie dieser Rüstungs-Stopp überwacht wird, zumal die Windkanal-Arbeit ausgelagert werden darf.Wird es eine eigene Polizeitruppe geben, die die Windkanalarbeit überwacht?Werden künftige «Spione» sich nicht auf Technologie-Transfer spezialisieren, sondern auf das Denunzieren, falls ein Team diese Spielregeln nicht einhält?

Zu hinterfragen ist ferner, wie lange eine zu Tode reglementierte Formel 1 den großen Werken überhaupt ins Konzept passt. So haben sich die Autowerke, die sich ihr Formel 1-Team gekauft haben, die Zukunft der Top-Liga wohl kaum vorgestellt. Denn sie sind nicht angetreten um zu sparen, sondern sich im Rahmen eines interessanten Reglement zu profilieren. Sonst hätten sie sich ja gleich ein GP2 Team kaufen können.

Autor Helmut Zwickl ist neben seiner langjährigen Tätigkeit als einer der führenden deutschsprachigen Motorsportjournalisten auch Veranstalter der Planai-Classic, alle Infos dazu finden Sie unter www.planai-classic.at

News aus anderen Motorline-Channels:

Helmut Zwickl Kolumne

Weitere Artikel:

Ein Zwerg auf der Suche nach Identität? Streng genommen hatte der Rascal sogar viele, dazu mehrere Familiennamen und je nach Marke unterschiedliche Produktionsstandorte mit wilden Zuordnungen.

Was ist besser?

Oldtimer mieten oder kaufen

Ob als stilvolle Begleitung für besondere Anlässe oder als Ausdruck von Individualität im Alltag – es gibt zahlreiche Autofahrer, die gern einen Oldtimer wählen.

Zweierlei Reibwerte

Helden auf Rädern: VW Öko-Polo

Viele technische Neuerungen sind älter als sie scheinen. Oft ist die Zeit aber einfach noch nicht reif dafür, weswegen ambitionierte Technik oftmals in der Schublade verschwindet. Der Öko-Polo zeigt aber, dass ein wenig Abwarten auch Vorteile haben kann.

Kooperationen und Übernahmen unter Konzernen sind wahrlich keine Erscheinung der Neuzeit. Und dennoch hat der Zusammenschluss, der zum Ford Corcel führte, eine ganz sonderbare Wendung, die zeigt, wie wirr und verworren ehemals die Verbandelungen unter den Autoherstellern waren.

Wenn Yankees Tee kochen

Helden auf Rädern: Jaguar X-Type

Jaguar ist nicht unerfahren darin, sich neu zu erfinden. Beim X-Type lief eine an sich coole Idee aber aus dem Ruder, weil Ingenieure, Konzernlenker und Strategen alle das Richtige wollten – die Kombination aber nur einen Rohrkrepierer zuließ.

Wenn Genossen den Eid genossen

Helden auf Rädern: Shanghai SH760

Automobilbau in China? Vor 70 Jahren nahezu unvorstellbar. Dafür zeigte der SH760, wie schnell sich in diesem Land das Blatt wenden und man in diesem Spiel dazulernen kann. Ein Auto wie ein Spiegelbild der Lernkurve eines Landes.