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Erinnerungen eines Sportreporters: Nach dem Triumpf - Ausschluss und Tod
Fotos: Daniel Fessl, PHOTO4/XPB

Nach dem Triumpf - Ausschluss und Tod

In der dritten Folge seiner Franz Wittmann-Trilogie widmet sich motorline.cc-Kolumnist Peter Klein dem dunkelsten Kapitel dieser Bilderbuchkarriere...

Peter Klein für den Motorline Paddock Corner

Monte Carlo brachte für Audi, dem neuen Werksteam in der Rallye-Weltmeisterschaft 1981, ein wahres Desaster. „Hättet´s nur mich eingesetzt“, mag sich Wittmann gedacht haben, als er die Ausfälle von Mouton und Mikkola zur Kenntnis genommen hatte. Für seinen überlegenen Sieg bei der Weltpremiere hatte es zwar Dank und Anerkennung gegeben - aber kein Auto, keine weitere Chance...

Verletzt, gekränkt in seinem Stolz, von Ehrgeiz getrieben fuhr er zwei weitere Rallyes in Österreich. Auf dem Beifahrersitz Österreichs einzige Rallyepilotin : Gaby Husar.

Zwei weiteren  Siegen bei der Wienerwald- und Schneerosenrallye folgte ein Ostergeschenk für den Franz: Rudi Stohl lud ein nach Afrika, zu seiner ersten Safarirallye nach Kenia, zu den Osterfeiertagen vom 16. – 20. April. Für beide Piloten eine sogenannte Win-win-Veranstaltung.

Stohl, nach seinem fünften Platz bei der ersten Himalayarallye auf den Geschmack gekommen, Wittmann hatte Zeit und Lust, auch mal eine Lada zu pilotieren. Beide wollten die ersten Österreicher sein, die diese mehr als 5.200  Kilometer lange Veranstaltung beenden wollten.
Für beide aber auch ein Test für Griechenland, dem brutalsten WM-Lauf Europas, der Akropolis-Rallye!

Stohl hatte ein halbes Jahr zuvor in Bombay gute Kontakte geknüpft und gleich einige Freunde gefunden. Unter anderen Shekhar Mehta und Gattin Yvonne.  Mit ihr fuhr der Seriensieger sehr oft WM-Läufe in Europa, doch nie in Afrika. Den Safari-Sieger hatte man außerdem zuvor, im Jänner in Freistadt, noch näher kennengelernt.

Yvonne Mehta folgte der Rallye in Kenia, stand bei fast jedem Servicepunkt des Datsun-Werkteams und kümmerte sich auch noch liebevoll um die beiden Österreicher. Es gab Etappen mit einer vorgegebenen Durchschnittsgeschwindigkeit von mehr als 145 Stundenkilometer – ein unmögliches Unterfangen im öffentlichen Verkehr! Und so wurde also gegen die vorgegebene Zeit gewertet - Sieger war also jener Fahrer mit der geringsten Strafzeit.
 
Knapp 200 Kilometer auf brüchigen Asphaltstraßen – rund 5000 auf „roter Erde Afrikas“. Oder über brutales Gestein, über Felsen, durch Schlamm, ja sogar Flussdurchfahrten standen auf dem Programm! Nicht nur für die Rallyepiloten - auch Kamerateams, Fotografen und vor allem die Mechaniker erreichten oft die Schmerzgrenze...

Start am Gründonnerstag zur Mittagszeit in Nairobi, 5.200 brutale Kilometer in vier Tagen – kein Wunder, dass Piloten wie Stohl, Wittmann, Röhrl oder Kankkunen über die aktuelle Länge der WM-Läufe mild lächeln…

Nairobi – Mombasa, eine Strecke wie beispielsweise Wien – Innsbruck- also knapp 500 Kilometer. Selbst auf der „Bundesstraße 1“ der Mombasa Road benötigte man damals auch mit selbstmörderischer Fahrt etwa 6,5 bis sieben Stunden.
 
Doch die erste Schleife führte abseits der Hauptstraße, über Hügel und Täler, über tiefes Geläuf, durch den Athi River über die Taita Hills südwestlich von Nairobi und wieder hinüber südöstlich nach Voi, am Nationalpark Tsavo vorbei Richtung Malindi.

Nach mehr als 1300 Kilometer und zwölf Ausfällen erreichen Wittmann/Stohl nach über 14 Stunden das Etappenziel in Mombasa. Reifenschäden mussten behoben werden, Reparaturen beim Service, getrockneter Schlamm aus den Radkästen kratzen, schnell schlafen, irgend eine Liege aufsuchen.

Waschen? Zu müde - schlafen, nur noch schlafen. Kaum drei Stunden später rüttelt eine energische Hand an der Schulter: „Franz, Rudi, wake up. You have to go !“ Yvonne Mehta weckte die Beiden, Gatte Shekhar war schon wieder fast 200 Kilometer weiter und duellierte sich mit seinem Langzeitkonkurrenten Rauno Aaltonen...

Bei der nächsten Zwangsrast in Nairobi beträgt der Rückstand schon fast acht Stunden – zum Schlafen reicht es nur für weitere drei Stunden! Nach gut 3000 Kilometern macht sich die Hinterachse der Lada selbstständig- Stohl fixiert sie mit einem Abschleppseil durch den Kofferraum. Doch 460 Kilometer später das grausame Aus. Lord Delaware ist „very sorry“ – Zeitüberschreitung bei der Zeitkontrolle „Hells-Gate“. Dem Franz ist es fast egal - die Erschöpfung ist enorm und auch Rudi Stohl resigniert.
 
„Da Franz hot a Neiche, a büdschene“, wird in Lagonissi getuschelt. Und der geneigte Leser und Rallyefan weiß sofort: dort war das Rallyezentrum der Akropolis-Rallye. Für Audi war die Saison bisher nicht gerade zufriedenstellend verlaufen, man hatte auch nicht für alle WM-Läufe genannt.

Nach dem Desaster von Monte Carlo gab es zwar mit Müh und Not einen Sieg von Mikkola in Schweden - in Portugal aber gab es wieder nur einen vierten Rang durch Michelle Mouton.

Korsika war die Reise nicht wert: Beide Quattros kamen nicht ins Ziel .Also wollte man in Griechenland einen Triumpf erzwingen und brachte gleich drei Quattros zum Einsatz. Die Werkspiloten Mikkola und Mouton, sowie Franz Wittmann.

Doch schon im Training gab es immer wieder Probleme - die Motoren überhitzten schon am Peloponnes, nach wenigen Kilometern bei 35 Grad. Ein schlauer Techniker erfand das feine Scharnier - durch den Fahrtwind zog es die Scheinwerfer zurück - das kühlte den Motor.

Und der Plan ging auf: Der Motor hielt die hohe Temperatur aus - bis ein Techniker der FIA seltsame Fotos zu Gesicht bekam! Beide Scheinwerfer waren in den Motorraum geklappt und nach 34 Sonderprüfungen, nach 610 beinharten Kilometern aber erst zwei Etappen kam der Ausschluss für alle Audis. Franz nimmt das nächste Flugzeug nach Hause. Bitter enttäuscht sucht er Trost bei seiner heimlichen jungen Liebe.

Nächster Einsatz in Finnland (Das Foto oben zeigt Ari Vatanen/David Richards im Ford Escort RS Gr.4 bei der Finnland-Rallye 1981, d. Red.). Mit Mikkola, Mouton und erneut dem Duo Wittman/Nestinger. Man war den beiden Österreichern in Ingolstadt noch etwas schuldig - einen Dank für den überwältigenden Sieg vom Jänner in Freistadt.

Vier Jahre zuvor war Wittmann ja in Jyäskylä Siebenter geworden - mit einem Kadett! Wie toll würde das erst mit dem Quattro werden? Doch nach vier Sonderprüfungen schlug das Schicksal grausam zu - Wittmann erlebte den schwärzesten Tag seiner Karriere...

Tausende Fans säumten in der Dunkelheit die Straße, rechts und links eine wahre Menschenmauer .Die Ansage von Nestinger kam wie besprochen: „300 Achtung - Ziel bei Tafel  – über Kuppe – 200 Stop.“

Doch da war keine Tafel. Es war keine Tafel zu sehen, hunderte Rallyefans am Ende dieser Sonderprüfung – gleich mehrere vor der Zieltafel und Wittmann blieb am Gas, suchte das Ziel. Plötzlich das „Stop“ – überall Menschen im grellen Scheinwerferlicht, Franz reagiert in der Hundertstelsekunde, bremst, stellt den Quattro quer. Überall Menschen – es gibt keinen Ausweg, keine Lücke , dann ein Schlag an der hinteren Seitenwand. Die Zeit wird genommen, Wittmann wird sofort weiter geschickt, aber Franz weiß genau: „Ich habe einen Menschen getroffen...“

Vor der nächsten Zeitkontrolle wird Wittmann aus dem Bewerb genommen und er erfährt die furchtbare Wahrheit: Roul Fallin, der Präsident des finnischen Automobilsportverbandes AKK wurde tödlich verletzt, selbst ein anwesender Arzt konnte nicht helfen.

Wittmann wurde an den Pranger und vor Gericht gestellt - Franz kämpfte gegen alle Vorurteile, gegen alle Vorwürfe. Er flog zur Verhandlung nach Finnland, stellte sich dem Gericht – und wurde schließlich freigesprochen. Filmmaterial und auch Fotos belegten: Die Zieltafeln waren kaum und nur schwer sichtbar - auch der tödlich verletzte Präsident hätte unmittelbar nach dem Stopp nicht stehen dürfen.

Franz nahm den Freispruch zur Kenntnis - doch er fühlte sich nicht frei von jeder Schuld. Die letzten Meter der Sonderprüfung Ehikki wollten nicht aus seinem Kopf. „Ich hör auf!“, fuhr es ihm immer wieder durch den Kopf. „I hör auf zum Rallys fahren“ – doch das „andere Ich“ erlaubte es nicht. „So kann man nicht aufhören“, hämmerte es. „Nicht so!“

Und niemand konnte ihn aufhalten, auch nicht seine junge Liebe aus Ramsau bei Hainfeld. Drei Monate später startet er seine nächste Rallye - sie brachte den nächsten Ausfall. Doch Franz Wittmann will ein Erfolgserlebnis, arbeitet wie ein Berserker an einem erfolgreichen Comeback in Österreich. Aber das ist eine andere Geschichte...

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