RALLYE

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Erinnerungen eines Sportreporters
Fotos: Klein privat, Harald Illmer

Raimund B. – ohne Rast und Ruh!

Teil 2 der jener Kolumne, welche ORF-Legende und motorline.cc-Kolumnist Peter Klein dem Rekord-Staatsmeister Raimund Baumschlager zum Geburtstag widmet.

Peter Klein für den Motorline Paddock Corner

Nicht nur der sensationelle fünfte Rang von Korsika hatte den einst schüchternen jungen Mann aus dem kleinen Dorf in Oberösterreich selbstsicher, cool und womöglich noch ehrgeiziger gemacht. Das Duo Baumschlager/Ruben Zeltner eilte von einem Erfolg zum nächsten und als es bei der Rallye Bohemia einen überlegenen Sieg gab, bei dem von 24 Sonderprüfungen 22 Bestzeiten gefahren wurde, kam der Ruf aus Wolfsburg! 1991 wurde ausschließlich in Deutschland gefahren, mit dem VW Golf G60 – und wechselnden Erfolgen. Im Team von VW fuhr nämlich auch Deutschlands Ex-Meister Erwin Weber, der den G 60 schon im Jahr zuvor gefahren war, zu diesem Zeitpunkt auch längst WM-Erfahrungen und tolle Platzierungen erreicht hatte. In Deutschland musste also auch ein Deutscher Meister werden, Weber sicherte sich souverän den Titel und Baumschlager durfte zum Abschluss der Saison im Waldviertel starten. Dort traf er auf den neuen österreichischen Staatsmeister Christoph Dirtl und auch auf Graf Ernst Harrach, beide jeweils mit einem Lancia Delta Integrale – und ließ beiden keine Chance. Es war eine legendäre Semperitrallye, 30 Sonderprüfungen mit knapp 280 Kilometer und mehr als 60.000 Rallyefans! Baumschlager siegte mit mehr als dreieinhalb Minuten Vorsprung – Österreich hatte einen neuen Hero und nicht nur damals standen die Autogrammjäger Schlange.

Auch 1992 war der GolfG60 Raimunds Arbeitsgerät doch bald schon war ihm klar geworden, an Wittmann in der Celica von Toyota gab es kein Vorbeikommen. Aufgrund seiner bisherigen Erfolge, seiner Fachkenntnis und fast schon perfektem Lobbying gelang ab 1993 der Wechsel zu Ford. „Dort hab ich zum ersten Mal richtig Geld verdient", erzählt mir Raimund, der vom RS Cosworth damals begeistert war. „Du bist ja auch prompt Staatsmeister geworden, zum ersten Mal in Deiner Karriere", fällt mir dazu gleich ein. Aber Raimund geht nicht näher darauf ein und ich denke, er will auch über seinen ersten Titel nicht weiterreden! Mir fällt dazu nichts Weiteres ein. doch auch bei der Heimfahrt habe ich das Gefühl, etwas versäumt zu haben. Computer an, recherchieren und ganz schnell ist die Erinnerung wieder da, was den ersten Meistertitel von Raimund betrifft. Es gab ja 1993 keine Jänner-Rallye und Wittmann hatte mit seinem Co-Pilot Jörg Pattermann die ersten beiden Rallyes am Österreichring und in Slowenien klar gewonnen. Der Lauf bei der INA-Delta-Rallye zählte ebenfalls zur heimischen Meisterschaft jedoch nur dann, wenn zumindest 15 Teilnehmer aus Österreich am Start wären! !993 – das Jahr als „der Balkan zerbrach", die Jugoslawienkriege ausuferten, man aber im Raum Zagreb nichts zu befürchten hatte. Zuvor war Baumschlager bei der Barum - Rallye souverän siegreich geblieben und damit erster Verfolger von Wittmann in der laufenden Meisterschaft!
Ich erreiche Wittmann in Spanien am Golfplatz und will von ihm wissen, was da genau vor 31 Jahren geschehen war.

„Wir haben uns beim Besichtigen getroffen und Mundl hat zu mir gemeint do is Krieg, eigentlich sollt man da nicht fahren! Ich war seiner Meinung und hab gesagt: wenn Du nicht fährst – fahr ich auch nicht und hab die Rallye boykottiert! Raimund ist dann doch gefahren, hat gewonnen und ich hatte dann keine Chance auf den Meistertitel!" Ich wollte von Franz wissen, ob er noch immer sauer wäre? "Damals war ich so zornig, er hat mir nachher gesagt, dass sein Sponsor auf den Start bestanden hätte aber heute, das ist über 30 Jahre her und eigentlich vergessen.“ Ein Zeitzeuge verriet mir bei meinen Recherchen noch folgendes, pikantes Detail: Es waren nur 14 Österreicher genannt, also wurde flugs eine „österreichische Lösung" gefunden und der dringend notwendige 15. Teilnehmer rekrutiert. „Folki“ Folkrad Payrich nannte schnell noch mit einem untauglichen Opel Kadett, ein weiterer Österreicher war als Chef der Technik für die Abnahme zuständig, Payrich fuhr nur über die Startrampe und anstatt zur 1. Sonderprüfung zum Abendessen. Dass man damit auch die heimische Meisterschaft entschied, wusste man zu diesem Zeitpunkt wohl noch nicht! Dem Gesetz wurde genüge getan, es gab die vollen Punkte und Wittmann war die Meisterschaftsführung los. In der Folge gewann Baumschlager zwar noch die erste Mobilrallye und belegte danach vier Mal Rang Zwei. Wittmann feierte 1993 fünf Siege, einen dritten Platz und wurde nur Vizemeister, weil ihm ein Ergebnis fehlte....
Noch einmal Raimunds Mentor Dr. Czejkal: „Der Mundl war zwar immer wahnsinnig ehrgeizig doch immer ein grader Michl, aber das mit der INA-Deltarallye war nicht astrein“. Gleich einige andere Zeitzeugen meinten aber: „Na ja, da hätten wohl einige genauso agiert!"
Heute ist dieses Thema kaum noch in Erinnerung und in den Archiven findet man nur: 1. Meistertitel für Raimund Baumschlager 1993 mit Ford Escort RS Cosworth

Es ist heimelig im Wohnzimmer, man merkt die ordnende Hand von Raimunds Frau Elfi, kaum etwas deutet auf den so erfolgreichen Rallyepiloten hin. „Du hast es ja bei Gott nicht leicht gehabt, Karriere zu machen", will ich Raimund zum Reden animieren - doch er winkt ab, will über Vergangenes nicht mehr reden. Dass er eigentlich in Windhaag aufgewachsen ist, dass er noch vor seiner ersten Rallye als blutjunger Kerl seine Eltern tot, beziehungsweise sterbend aufgefunden hatte. Dass er seinen kleinen Bruder an der Hand schnappte und wegzog, nach Rosenau am Hengstpass, das ihm später zu seiner echten Heimat wurde. Dass der gelernte Betriebsschlosser wie zuvor schon sein Vater „ins Holz“ ging, um an Wochenenden im wahrsten Sinn des Wortes Schweiß und Blut investierte, um aus den geerbten Schulden rauszukommen – und auch später noch als Holzarbeiter zusätzlich zu arbeiten, um den geliebten Rallyesport zu finanzieren. All das muss man ebenfalls in Betracht ziehen, wenn man sich über den Mensch Baumschlager ein korrektes Bild machen will.

Die folgenden Jahre nach dem Gewinn des ersten Meistertitels waren eher zu vernachlässigen, doch 1996 begann erneut das Engagement mit VW und in seiner engsten Heimat gelang ein prächtiger Einstand: Klarer Sieg vor dem Shootingstar Manfred Stohl und Achim Mörtl bei der Phyrn-Eisenwurzenrallye 1996. Zwei Jahre später lässt Baumschlager für das VW-Werksteam mit einem 6. Rang bei der Safarirallye aufhorchen. In den folgenden Jahren gab es immer wieder herausragende Ergebnisse mit Rallyeautos aus dem VW-Konzern, doch keine Chance auf einen weiteren Meistertitel. Die Zeit der WRC`s war angebrochen, also versuchte es Raimund im Jahr 2001 wieder mit Ford, diesmal mit dem Focus. Elfmal am Start – zehn Mal im Ziel – sieben Mal auf dem Podest, aber kein einziger Sieg,

Es war das Jahr des Franz Wittmann, der sich mit Raphael Sperrer ein unglaubliches Duell lieferte um noch einmal Meister zu werden – und wenn keiner der beiden gewann, war Manfred Stohl zur Stelle. Und so sprach ich mit Manfred nach Wittmann auch über dieses Jahr und über Raimund Baumschlager. „Raimund hat das ganze Jahr über nur gejammert und über seine Reifen geschimpft, so was macht man nicht“, sagte Manfred, meinte aber auch: „Was er aber in seinem Leben erreicht hat ist schon bemerkenswert und dass er mit 65 noch immer so schnell Auto fährt ist bewundernswert“. Stohl erwähnt gar nicht, dass er im Jahr darauf mit dem gleichen Auto und der gleichen Reifenmarke schon den ersten Meisterschaftslauf des Jahres vor Sperrer im Peugeot WRC gewinnt…
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Es folgt ein Übergangsjahr, in dem Raimund Baumschlager vehement am Aufbau seiner Firma BRR in Michldorf, OÖ arbeitet. Das Jahr 2003 bringt, zehn Jahre nach dem ersten endlich den zweiten Meistertitel, diesmal mit Mitsubishi. Es folgen fünf weitere gegen gleich starke Mitbewerber, es sind die Jahre als man meinte, es gäbe nur noch Mitsubishi Lancer, von Evo V bis Evo X.

Vor 15 Jahren kehrt Raimund Baumschlager wieder in den Schoß der Familie Volkswagen zurück und fährt seither ausschließlich Skoda-Modelle. Manchmal wechseln die Co-Piloten, aber der treueste ist wohl Thomas Zeltner. Auch Sponsor Red Bull bleibt Raimund treu, verstärkt sogar das Engagement, kein Wunder bei diesen Erfolgen! 14 Meistertitel in Summe sind ein überzeugendes Argument, nicht weniger als 85 Mal hieß der Sieger Raimund Baumschlager, seine Podestplätze habe ich nicht mehr gezählt!

Als ich aus dem schmucken Haus in Rosenau am Hengstpass trat um mich zu verabschieden kam die logische Frage: „Wirst Du bei der Jänner-Rallye wieder fahren?" Raimund schüttelt den Kopf: „Nein, wir haben neue Skodas und die sind schon vergeben."

Dann will ich noch wissen, wer sein härtester Gegner war und prompt kommt an erster Stelle „Achim Mörtl, Franz Wittmann und 2017, als ich zum letzten Mal Staatsmeister wurde Hermann Neubauer". Ich wende mich seiner Frau Elfi zu: "Sollte er nicht bald einmal aufhören und mehr zu Hause, bei Dir bleiben?“ Da lächelt sie mild und sagt: „Nein, er soll fahren solange es ihm Freude macht!“

Es gäbe noch vieles über Raimund und sein Leben zu erzählen. Von seinem schweren Unfall, der Wirbelsäulenverletzung und von seiner Herzoperation vor wenigen Jahren. Wenn ich heute über den Mann aus Rosenau nachdenke, sein mir bekanntes Leben seit mehr als 35 Jahren Revue passieren lasse, an mein Lob und meine Kritiken denke, muss ich doch etwas revidieren.
Der Mann hatte in seiner Jugend schon schwer zu kämpfen, hat tolle Leistungen erbracht – und auch Fehler gemacht, aber wer hat die nicht ? Er hat sich in der oft brutalen Welt des Motorsports inmitten von Lügen und Intrigen behauptet, manchmal auch mit unlauteren Mitteln. Aber wie lautet doch ein geflügeltes Wort aus der Bibel: Wer unter euch ohne Sünde ist, der werfe den ersten Stein.

Nein, ich will jetzt nicht pathetisch werden, man könnte auch sagen: wer kein bisschen Dreck am Stecken hat, darf urteilen.

Mit 25. November 2024 bist Du Raimund Baumschlager 65 Jahre alt und mit den Jahren auch weiser, einsichtiger und milder geworden. Ich wünsche Dir weiterhin Erfolg mit Deiner Firma, Deinen Piloten und Deinen kommenden Rallyes. Mögest Du bei bester Gesundheit wieder mal auf dem Podest stehen – es würde mich nicht überraschen.

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